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Reicher Süden, arme Deutsche? – DW – 12.04.2013

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Reicher Süden, arme Deutsche?  – DW – 12.04.2013

Vermutlich wird die Bundesregierung dies als Bestätigung dafür sehen, dass sie richtig gehandelt hat, indem sie vermögende Einleger zypriotischer Banken davon überzeugt hat, bei der Rettung ihres Landes mitzuhelfen. Regierungskreise sagten damals, die deutschen Steuerzahler hätten der Rettung sonst nicht zugestimmt.

Laut der am Dienstag (04.09.2013) veröffentlichten Studie der Europäischen Zentralbank scheinen Zyprioten dreimal reicher zu sein als Deutsche.

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Die Europäische Zentralbank hat die nationalen Zentralbanken in 15 Ländern der Eurozone gebeten, insgesamt 62.000 Familien Fragen zu ihrem Vermögen zu stellen. Von den 17 Mitgliedsstaaten des gemeinsamen Währungsraums waren nur Irland und Estland nicht beteiligt. Die Vermögenswerte der Teilnehmer wie Einlagen, Immobilien und Autos wurden addiert und ihre Schulden abgezogen.

Kontroverse Ergebnisse

Die Ergebnisse waren sowohl erstaunlich als auch kontrovers. Haushalte in Krisenländern scheinen im Durchschnitt über größeres Vermögen zu verfügen als Haushalte in Mitgliedsländern der nördlichen Währungsunion.

Zypern zum Beispiel wurde gerade vor dem Bankrott gerettet. Doch die Studie platziert den kleinen Inselstaat auf Platz zwei der Wohlstandsliste. Zyprische Haushalte haben ein durchschnittliches Nettovermögen von 670.900 € (878.700 $). Dieses Ergebnis wird nur von Luxemburg übertroffen, wo jeder Haushalt über ein Einkommen von 710.000 Euro verfügt.

Zypriotische Familien sind die zweitreichsten in der EurozoneFoto: Image Alliance/ZB

Auf den Plätzen fünf und sechs liegen die beiden großen Krisenländer Spanien und Italien mit einem durchschnittlichen Vermögen von jeweils knapp 300.000 Euro. Das ist deutlich weniger als bei den ersten beiden, aber auch deutlich mehr, als die Studie den Deutschen zufolge hat.

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Deutschland belegt mit durchschnittlich 195.200 Euro pro Haushalt den neunten Platz. Er stellte fest, dass die Österreicher und Franzosen reicher waren. Gleichzeitig geht es Deutschlands Verbündeten bei der Rettung des Euro, den Niederlanden und Finnland, schlechter.

Mit anderen Worten: Nordeuropäische Steuerzahler besichern Notkredite und könnten bald mit höheren Steuern rechnen, um den südlichen Ländern aus der Krise zu helfen und die Währungsunion intakt zu halten. Allerdings legt die Studie nahe, dass sie tatsächlich weniger wohlhabend sind als die Menschen, die für ihre Rettung zahlen.

Schau genauer hin!

Man könnte meinen, das sei eine Unverschämtheit, weshalb Statistiker mahnen, genauer hinzuschauen. So wurden beispielsweise Renten nicht berücksichtigt.

„Dadurch kommt es zu einer Verzerrung der Ergebnisse“, sagt Walter Kremer, Direktor der Fakultät für Statistik der Universität Dortmund. „Sie tauchen in der Studie nicht auf, weil sie in manchen Ländern, etwa in Deutschland, nicht als Teil des Familienvermögens gelten“, sagte er im DW-Interview.

Deutsche erhalten im Vergleich zu anderen Ländern hohe RentenFoto: Fotolia/Footwerk

Die Rentenversicherung in Deutschland ist im internationalen Vergleich sehr hoch. Laut Bundesbank ist dies auch ein wichtiger Grund dafür, dass viele Deutsche gar nicht erst das Bedürfnis verspüren, privates Vermögen anzuhäufen. Sie gehen davon aus, dass sie mit ihren Superbeiträgen genug Geld zum Leben haben, wenn sie in Rente gehen.

Ein weiterer Punkt, den Statistiker kritisieren, ist, dass die Studie keine Aussage über das individuelle Vermögen liefert, da sie die Anzahl der Einkommensbezieher in der Familie nicht berücksichtigt. „Zyprische Familien zum Beispiel sind traditionell größer als deutsche Familien“, sagt Walter Kramer.

Bestimmend für die Ergebnisse ist auch, dass die Studie Immobilien als einen der entscheidenden Faktoren für das Privatvermögen einer Familie betrachtet. In Spanien besitzen 83 % der Familien ein Eigenheim, während in Deutschland nur 44 % die Wohnungen oder Häuser besitzen, in denen sie leben.

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Ein Grund dafür ist, dass deutsche Banken bei der Vergabe von Hypotheken traditionell vorsichtiger vorgehen und sich auf das Kapital und die Bonität der Antragsteller konzentrieren.

Viele Menschen in Spanien wurden aus ihren Häusern vertrieben, weil sie ihre Schulden nicht bezahlen konntenFoto: AP

Der andere Grund ist, dass es in Deutschland in den letzten Jahrzehnten einen Einstellungswandel gegeben hat. Junge Familien träumen nicht mehr unbedingt von einem Eigenheim im Grünen. Sie wohnen oft in größeren Städten und mieten. Die wachsende Zahl von Einpersonenhaushalten in Deutschland führt auch dazu, dass die Quote der Immobilieneigentümer dort geringer ist als in anderen Ländern.

Die Blase ist geplatzt

Während also Mieten in Deutschland kein Indikator für Armut sind, ist der Besitz einer Immobilie in Ländern wie Spanien nicht unbedingt ein Indikator dafür, dass eine Person reich ist. In vielen Ländern der Eurozone ist die Immobilienblase geplatzt. Menschen, die während des Wirtschaftsbooms ein Haus gekauft haben, laufen nun Gefahr, ihre Schulden nicht zurückzahlen zu können. Beispielsweise wurden die Zahlen der Europäischen Zentralbank für Spanien im Jahr 2008 erhoben. Seitdem sind die Immobilienpreise dort um 40 Prozent gesunken.

Auch wenn einige der Daten möglicherweise veraltet und nicht weitreichend genug sind, hält Walter Cramer Vermögensstudien wie die von der Europäischen Zentralbank in Auftrag gegebene weiterhin für wichtig. „Es ist immer noch besser als nichts“, sagt er. „Wenn man genau hinschaut, sind alle Daten und Zahlen vorhanden.“ Er fügt jedoch hinzu, dass es wichtig sei, sorgfältig zu überlegen, wie diese Daten verbreitet und interpretiert werden. „Die Medien müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein, denn nicht jeder liest das Kleingedruckte“, sagt er.

Doch trotz aller Kritik bleibt das Grundergebnis der Studie wahr: In den südlichen Euro-Ländern gibt es immer noch enormes privates Vermögen, auch wenn einige von ihnen riesige Schuldenberge anhäufen. Darüber hinaus besitzen die reichsten 10 % der Haushalte im Euroraum fast die Hälfte des Gesamtvermögens des gesamten gemeinsamen Währungsraums.

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